7. Risikoabschätzung

Die technischen Untersuchungen erlauben eine präzise Abschätzung der Gefahr, die von der Deponie Feldreben ausgehen kann. Die verschiedenen Resultate sind in drei Teilsystemen gegliedert.

 

Teilsystem 1: Emissionen aus dem Deponiekörper

Die Anreicherung des Sickerwassers mit Schadstoffen hängt in erster Linie von der Löslichkeit der Stoffe ab. Sie wurde mit einer deterministischen Freisetzungsanalyse kalkuliert, die im Rahmen des Nationalfonds-Projektes „Evaluation der TVA-Grenzwerte“ mit dem geochemischen Modell für Reststoff- und Deponiekörper 2001 entwickelt wurde.

Gemäss den Berechnungen wird in den nächsten 100 Jahren der Grossteil der Stoffe ausgewaschen sein. Beispiel: Trichlorethylen wird bei gleich bleibenden Verhältnissen von der Gesamtmasse 488 kg auf eine Restmasse von ca. 128 kg schrumpfen. Etwa 75% werden demnach ausgewaschen.

Folglich wird die Schadstoffkonzentration im Sickerwasser bei konstanter Sickerwassermenge und unverändertem Deponiekörper laufend abnehmen. Das heisst die Gefährdung wird im Laufe der Zeit bedeutend kleiner.

Es sei denn, es ergäben sich Störfälle, die die Situation entscheidend ändern. Zum Beispiel eine Vermehrung des Sickerwassers, die zu einem starken momentanen Anstieg der Belastung führen würde. Gemäss der Probalistischen Freisetzungsanalyse, die eine Eintrittswahrscheinlichkeit zu berechnen versucht, ereignet sich dies im Schnitt alle 21 Jahre, wobei das Ausmass nicht vorhersehbar ist, aber in Relation zur vorhandenen Menge gesehen werden muss. Bei der Deponie Feldreben ist vor allem die Überbauung der Risikofaktor. Explizit sind dies die wasserführenden Leitungen und Kanäle unter der Erdoberfläche und vor allem eine allfällige Umnutzung der Oberfläche.

 

Teilsystem 2: Freisetzung des Sickerwassers im Grundwasser

Anhand einer Worst Case Simulation der Grundwasserfliessrichtungen wurde eine probalistische Ausbreitungsanalyse erstellt. Diese zeigt auf, wie das Sickerwasser aus der Deponie vom Grundwasser weitergetragen wird, und wie gross die minimal zu erwartende Verdünnung des ehemaligen Sickerwassers an den Trinkwasser- Entnahmestellen ist. Da das Verhalten des Grundwassers unter der Deponie Feldreben stark variiert, wird das Beeinflussen von mehreren Wasserfassungen möglich:

  1. „Brauchwasserfassung Florin“
  2. „Brauchwasserfassung Schweizerhalle“
  3. „Trinkwasserfassungen Hard, Muttenz Auweg und Obere Hard“
  4. „Trinkwasserfassung Muttenz Schanz“

Die beiden Trinkwasserfassungen werden lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 6.3% mit Sickerwasser befrachtetes Grundwasser abpumpen. Eine minimal zu erwartende Verdünnung würde bei „Muttenz Schanz“ den Faktor 1’500 betragen. Bei der Hard sogar den Faktor 8800. Auch die Brauchwasserfassungen haben beim „Florin Brunnen“ ca. 800-fache und bei der „Schweizerhalle“ ca. 10’000-fache Verdünnung.

 

Teilsystem 3: Toxikologische Bewertung

Für die Auswertung der Toxikologie wurde eine Auswahlliste von 9 Substanzen erstellt. Um den Vorgaben der Altlastenverordnung der Schweiz gerecht zu werden, gelten die Anteile von Schadstoffen die sich im Abstrombereich der Deponie finden liessen.

Die 9 Stoffe sind: 
  • Trichlorethylen
  • Hexachlorbutadien
  • 4-Chloranilin
  • Benzidin
  • Barbiturate
  • Atrazin
  • Phenol
  • 1,2,4-Trichlorbenzol
  • 2,6-Dinitrotoluol

Trichlorethylen, 4-Chloranilin, Benzidin und 2,6-Dinitrotoluol werden als eindeutig krebserzeugend bezeichnet.

Die Stoffe wurden als repräsentativ ausgewählt, da sie innerhalb ihrer Stoffgruppe die grösste Gefahr darstellen.

Die Proben aus dem Abstrombereich zeigen bei keinem der 9 Stoffe eine Konzentration die als „erhöht“ oder „leicht erhöht“ klassifiziert wird, ausser dem Trichlorethylen. Die Konzentration der krebserzeugenden Stoffe ist nirgends so gross, dass ein Zusatzrisiko von mehr als 1:100'000 bei Lebenszeitexposition besteht.

 

Zusammenfassung:

Mit der deterministischen Freisetzungsanalyse wurde gezeigt, dass die Belastung des Sickerwassers im schlimmsten anzunehmenden Fall in den nächsten 100 Jahren stark und konstant abnehmen wird, wenn die jetzigen Verhältnisse erhalten bleiben.

In der probalisitischen Störfallanalyse wurde untersucht, wie häufig Störfälle das Sickerwasser beeinflussen können. Unter Berücksichtigung aller absehbaren Faktoren muss mit einer kurz- oder langfristigen Zunahme der Schadstoffkonzentration alle 20 Jahre gerechnet werden.

Mit der quantitativen Ereignisbaumanalyse wurde das Verhalten des Sickerwassers im Grundwasser statistisch bewertet. Somit kann die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, womit ein Anteil des Sickerwassers überhaupt in eine Trinkwasserfassung gelangen wird. Diese beträgt insgesamt 6.3% in den Trinkwasserfassungen „Muttenz Schanz“, Hard und Muttenz Obere Hard.

Geht man von einer minimalen Verdünnung auf dem Weg zur Trinkwasserfassung aus, bleiben alle Stoffkonzentrationen ausser Trichlorethylen um mehrere 10er Potenzen unterhalb der gesetzlichen Schranken.

Das Trichlorethylen stellt die grösste Gefährdung dar und wird deshalb noch genauer betrachtet.

Der Median bei den Messungen dieser Stoffgruppe beträgt 25 Mikrogramm/ l. Nach den WHO- Richtlinien von 40 Mikrogramm/ l (strenger als die Altlasten Vorschriften der Schweiz mit 70 Mikrogramm/ l) ist das gerade etwa die Hälfte.

Multipliziert man die Wahrscheinlichkeiten in Anbetracht dieser Konzentration im Abflussbereich, kommt man bei der Fassung Schanz auf eine zu erwartende Häufigkeit von 1.05 x 10^-3, dass der halbe Wert des WHOs erreicht wird (20 mg/ l). Das heisst, beim Rest der Häufigkeit ist die Konzentration von Trichlorethylen noch weiter unter den gesetzlichen Schranken für das Trinkwasser. Dies wird als akzeptables Risiko eingestuft.

Ein etwaiger Störfall müsste also immens sein, um die Situation aus dem Gleichgewicht zu bringen, was bei einer 50 Jahre alten stabilisierten Deponie äusserst unwahrscheinlich ist.

Die Gefährdung von bestehenden Trinkwasserfassungen in der Hard und in der Schanz durch das Sickerwasser aus der Deponie Feldreben ist gemäss der Gefährdungsabschätzung somit unwahrscheinlich.